01. Aufgabenstellung
Ergebnisse
Die Schadenserfassung und -bewertung sowie Sanierungsdurchführung ist von erheblicher technischer und wirtschaftlicher Bedeutung für Eigentümer, Stiftungen und andere Rechtsträger, die verantwortlich sind für die Sicherheit, Unterhaltung und Nutzung historischer Bauwerke.
- Ein erheblicher Teil der betreffenden Bauwerke, geschätzt 20%, benötigen eine Aussage zur Tragsicherheit, um vorsorgliche Nutzungssperrungen oder Gefahr für die Benutzer abzuwenden. Die Kirche Passee, um nur ein Beispiel aus der Region zu nennen, wurde auf Grund von Schäden an den Gewölben vorsorglich gesperrt. Als Ergebnis der Verformungsmessung sind wir in der Lage, Aussagen zum Resttragverhalten geschädigter Gewölbekonstruktionen zu treffen.
- Die Messdaten, die mit dem mobilen Prüfsystem gewonnen werden, lassen präzise Aussagen zum Sanierungsumfang und dem zeitlichen Ablauf von Sanierungsmassnahmen zu. Je nach dem Grad der Schädigung können zunächst Notmaßnahmen geplant, eine Sanierung in Bauabschnitten umgesetzt oder eine Grundsanierung angestrebt werden.
- Die zur Sanierung notwendigen Mittel öffentlicher Haushalte und die finanziellen Ressourcen von Stiftungen und Förderern können besser geplant und zielgerichteter eingesetzt werden.
- Durch den erheblich kostensparenderen Einsatz unseres Messystem werden wir langfristig in der Lage sein, flächendeckende Untersuchungen auch in dem noch nicht gefährdeten Bestand durchführen zu können.
Einsatz
Auf Webseiten finden sich Bauwerke mit Gewölbekonstruktionen unter den Rubriken „Kirchen und Klöster“, „Schlösser-/Herrenhäuser“, Rats-/Bürgerhäuser“, „Arkaden- und Kreuzgänge“, „historische Brückenkonstruktionen“ und „Tore/Türme“. Ausgehend von der dargestellten Katalogisierung kann eine Zahl von 1000 historischen Bauwerken allein in Mecklenburg-Vorpommern angenommen werden, die für das beschriebene mobile Messsystem relevante Gewölbedeckenstrukturen aufweisen.
Bedarf
Aus den Erfahrungen als Ingenieurbüro mit Tätigkeit in der Tragwerksplanung wie auch bei der Erstellung von Sanierungsgutachten und der Sanierungsdurchführung, kann bei einer geschätzten 20%-igen Schadensquote mit einem potentiellen Auftragsvolumen von 200 Bauwerken nur für die Region Mecklenburg-Vorpommern gerechnet werden. In den anderen Bundesländern ist die Situation vergleichbar
02. mobiles Messsystem
Ingenieure entwerfen, planen und konstrurieren heute am Computer, indem Modelle virtuell nachgebaut werden. Mit variierenden Vorgaben und Annahmen können neue Situationen berechnet, analysiert und visualisiert werden. Die Ergebnisse der Berechnungen lassen Rückschlüsse zu, ob das Gewölbe tragfähig oder einsturzgefährdet ist: mobil, schnell und effektiv.
Was einfach klingt ist in der Realität und bei der Abbildung im Modell ein komplexes Wechselspiel verschiedener Faktoren. Kleinste Veränderungen haben Einfluß auf das Ergebnis im Gesamtsystem. Zwei Faktoren sind dabei von erheblicher Bedeutung:
- Sind die gemessenen Werte im System korrekt wiedergegeben und nicht verfälscht durch
andere Einflussfaktoren, wie Wind, Temparatur, Vibration. - Interpretieren wir die angezeigten Werte bei der Analyse zutreffend beziehungsweise
sind die Berechnungen überprüfbar, bewiesen.
Am Beispiel der Kirche St. Georg in Ratzeburg wird die Vorgehens- und Arbeitsweise des mobilen Messgerätes erläutert.
03. Schematische Darstellung
Aufmass
In den wenigsten Fällen existieren bei historischen Gewölbedecken Bauzeichnungen oder statische Berechnungen. Um in einem Computermodell das Gewölbe 3-dimensional abbilden zu können, wird ein Aufmass benötigt.
FE-Netz
Ein 3-D-Modell ist für eine statische Berechnung viel zu komplex. Für eine Tragwerksuntersuchung werden Detailbetrachtungen von bestimmten Elementen, z.B. das Auflager, notwendig und zu komplexe Darstellungen verlangsamen unnötig die Rechen- und Darstellungsmöglichkeiten der Software. In einem FE-Modell werden jetzt bestimmte Zustände „idealisiert“: Formen werden vereinfacht und geglättet, bestimmte Teilflächen werden höher aufgelöst (gerastert) dargestellt und nur die für die Berechnung massgebenden Elemente dargestellt, es wird segmentiert.
Modellierung
Unter diesem Begriff versteht man die Verbindung von Annahmen und Zuständen mit dem 3-D-Modell (FE-Modell). So, wie bei einer virtuell konstruierten Figur diese Haare, Kleidung und Hautfarbe erhält, bekommt unser Gewölbemodell die physikalischen Gegebenheiten der Baustoffe und Herstellungsverfahren zugeordnet, die Schäden werden genauestens dargestellt und um Eigenlasten, Auflagerverschiebungen oder auch Einflüsse von Wind auf das Dach oder den Glockenstuhl ergänzt.
Analyse
Das Ergebnis müsste sich jetzt eigentlich schon aus dem Programm heraus ergeben. Tatsächlich ist dem aber nicht so und es werden nach wie vor Wissen und Erfahrung der Ingenieure zur Auswertung benötigt. Risse sind nicht gleich Risse und auch die Baustoffe und Bauverfahren haben sich über Jahrhunderte verändert.
Und genau hier setzen unsere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten an. Die Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Forschungsarbeiten und aus der 15-jährigen Berufstätigkeit bei der Sanierung von Kirchengewölben wurden verdichtet und so verschlankt, daß ein Messsystem entstand, das nicht nur mobil ist, sondern auch zerstörungsfrei Daten über den Umfang von offensichtlichen und versteckten Schäden liefert.
04. Prozessoptimierung
Eine Prozessoptimierung besteht in der Kunst der Vereinfachung, dem bewussten Weglassen von Details. Eine Vereinfachung ist aber nur dann zulässig, wenn die dem Modell zugrundeliegenden Daten im Programm korrekt dargestellt werden und Annahmen (Lasteintrag, Resttragfähigkeit, Bausubstanz) bewiesen, überprüfbar sind.
Hardware
Aus einer Vielzahl auf dem Markt angebotener Messverfahren war dasjenige herauszufiltern, das mit hinreichender Genauigkeit einfach zu bedienen und flexibel einzusetzen ist. Das Scannen eines Risses erfodert nun nicht das Aufmass einer gesamten Kirche. Andererseits kann sich im Rahmen der Untersuchung heraus kristallisieren, daß weitere Gewölbesegmente oder Bauteile zu erfassen sind. Das Setzen eines Nullpunkt, die Möglichkeiten zur verzerrungsfreien Kaskadierung und der Koordinatenfindung im Modell war eine wesentliche Aufgabenstellung.
Software/FE-Netz
Neben dem Aufmass konnten durch Projektionsflächen im Gewölbe die Scannvorgänge automatisiert werden. Ein Zuviel oder auch ein Zuwenig an Messdaten hat eine erhebliche Auswirkung auf die Verarbeitungszeit sowohl beim Aufmass als auch bei der Erstellung des FE-Netzes.
Ein Schnittstellenprogramm zur Übernahme der Aufmasskoordinaten beschleunigt den Erfassungsvorgang und erleichtert die nachträgliche Erfassung oder Bearbeitung von Werten.
experimentelle Überprüfung/Beweisführung
Ein besonderes Augenmerk galt der „Rekonstruktion“ von Verformungen. Ein vollkommen neu errichtetes Gewölbe wurde zu Versuchszwecken zerstört. Konsequenterweise galt es nunmehr zur Komplementierung der Stoffmodelle unter verschiedensten physikalischen Einflüssen Verformungen der Gewölbe zu messen. Benötigt wurden zwei Einheiten. die es zu entwickeln und zu testen galt: die Belastungseinheit und die Verformungsmessung.
Mit diesen als Prototypen exitistieren Messeinrichtungen sind wir nun in der Lage, die nicht-linearen Stoffmodelle weiter fortzuschreiben, als auch Aussagen über die Art der Verformung zu treffen.
Recherche
Die begleitende wissenschaftliche Forschung nach alten Baurichtlinien, -bestimmungen und Verfahren ermöglichen den Aufbau einer Datenbank, die das Analyseverfahren nicht nur optimiert, sondern erstmalig auch die Grundlagen für die Kalibrierung und Evaluierung des Modells im REFM-Programm liefert.
05. Analysen
Am Beispiel der Gewölbeuntersuchung der Kirche St. Georg in Ratzburg werden einige Auswertungen und Erkenntnisse dargestellt:
Die abgebildete Gitterwolke zeugt hinreichend davon, dass ein Zuviel an Werten vorliegt. Bereits bei den Aufmassarbeiten wird festgelegt, wieviele Punkte auszuwerten und damit zu erfassen sind. Offensichtlich ungeschädigte Flächen vielleicht nur mit 3×3 Punkten, geschädigte (Haarnadelrisse) mit mehr Punkten und dem Verlauf eines Risses wird natürlich mehr Aufmerksamtkeit geschenkt.
Die Software ermöglicht die Anzeige, wie die Lasten von den Auflagern aufgenommen werden. In den unbeschädigten Teilen sieht man deutlich, dass der Lasteintrag gleichförmig geschieht. Da die Kappe im Bild 2-dimensional dargestellt ist, verlaufen die Kraftlinien leicht geschwungen.
Die vollflächig farbigen Bilder veranschaulichen, dass die mit Rissen durchzogene Kappe die Lasten „durchreicht“, die Kräfte der zerstörten Kappe also vom gegenüberliegenden Auflager getragen werden müssen. An dieser Stelle besteht die Gefahr eines lokalen Tragwerkversagens.
Nicht dargestellt sind die Ergebnisse bei der Aufbringung definierter Belastungen. Sie ermöglichen es, Verformungen in der Bewegung darzustellen und Aussagen zur Resttragfähigkeit geschädigter Gewölbe zu treffen.
06. Unternehmen
Die Arbeiten werden innerhalb der Organisation der Guericke Ingenieurgesellschaft mbH, Wismar, umgesetzt. Herr Prof. Dr.-Ing. Bernd Guericke gründete im Jahre 2004 als alleiniger Gesellschafter Geschäftsführer das Unternehmen.
Insbesondere in der Denkmalpflege sind herausgehobene Referenzen vorhanden, unter anderem der Gewinn des Landesbaupreises Mecklenburg-Vorpommern 2008 für den Wiederaufbau der Kirche Barkow sowie den Ingenieurpreis MV 2011 für die Tragfähigkeitsversuche an historischen Kreuzgewölben. [/two_columns_one]
Das Projekt wurde gefördert durch das Ministerium für Wirtschaft, Bau und Tourismus Mecklenburg-Vorpommern.
© 09/2013 Copyright und Bildrechte liegen bei der Guericke Ingenieurgesellschaft mbH sowie bei Jochen Cont